Ali Elzieny sorgte im Sommer 2024 für einen historischen Moment in Luzern: Gemeinsam mit Marwa Abdelaal gewann der 39-Jährige die erste internationale Medaille für Ägyptens Para-Rudersport. Die Bilder ihrer Freude nach dem Rennen gingen um die Welt. Doch Elzieny ist nicht nur ein erfolgreicher Athlet, sondern auch Kriegsveteran. In diesem Interview spricht er über seinen Werdegang.

Ali Elzieny, im Sommer 2024 gelang Ihnen und Marwa Abdelaal in Luzern eine Sensation: die erste internationale Para-Rudern-Medaille für Ägypten. Was ging Ihnen an diesem Tag durch den Kopf?

Es ist nun zwar schon einige Monate her, aber es fühlt sich in meiner Erinnerung noch immer frisch und lebendig an. Als wir die Ziellinie überquerten, spürte ich eine Mischung aus Freude, Erleichterung und Stolz – der Moment, von dem ich so lange geträumt hatte, war endlich Realität geworden.

Gab es einen Moment im Rennen, in dem Sie wussten: Heute holen wir eine Medaille?
Ja und nein. Zunächst hatte ich kein Gefühl dafür, wo wir standen. Ich war vollkommen fokussiert und hatte nur ein Ziel: Jeden 500-Meter-Abschnitt besser zu rudern als den vorherige. Aber schon früh im Rennen kam noch ein Gedanke auf: Ich verlasse dieses Land nicht ohne eine Medaille!

Ihr Jubel nach dem Zieleinlauf war elektrisierend. Welche Emotionen haben Sie in diesem Moment durchlebt?
Nach meiner Verletzung wusste ich lange nicht, wie es weitergehen sollte. Mit dem Para-Rudern sah ich eine neue Möglichkeit, um auf hohem Niveau zu konkurrieren. Der Traum von einer Medaille kehrte langsam zurück. Als wir dann die Ziellinie in Luzern überquerten, war es, als würde ich aus einem Traum aufwachen – und dieser Traum war Realität geworden!

Wie haben Sie diesen historischen Erfolg gefeiert?
Es fühlte sich an wie Eid al-Fitr, das Fest des Fastenbrechens. Ich sass im Hotelzimmer mit meiner Medaille, rief alle an, die ich kenne, und schrieb Nachrichten an Familie und Freunde. Der grösste Moment kam aber in Kairo: Am Flughafen empfingen uns Familienmitglieder, Freunde, Vereinskollegen und Verbandsmitglieder. Diese Anerkennung bedeutete mir enorm viel.

Was bedeutet diese Medaille für den Para-Rudersport in Ägypten?
Das wird sich noch zeigen. Aber Medaillen helfen dabei, Aufmerksamkeit und Förderung zu gewinnen. Es war wichtig zu zeigen, dass Ägypten in diesem Sport internationale Erfolge erzielen kann.

Wie sind Sie eigentlich zum Rudern gekommen?
Ich begann 1999 mit dem Rudersport, lange bevor ich zur Armee ging und vor meiner Verletzung. Während meiner Militärzeit ruderte ich nur noch hobbymässig. Erst nach meiner Verletzung kehrte ich zum Wettkampfsport zurück.

Was können Sie uns über die Verletzung erzählen, die zur Amputation Ihres Beines führte?
Der Vorfall ereignete sich 2018 auf der Sinai-Halbinsel. Ich war Teil einer Spezialeinheit, die dort gegen Terroristen operierte. Ich wurde während eines Gefechts getroffen. Es war nicht meine erste Verletzung im Einsatz – zuvor hatte ich bereits Treffer in Rücken und Brust erlitten. Ich konnte mich jeweils wieder erholen und zu meiner Einheit zurückkehren. Doch diesmal war die Verletzung so schwer, dass mein Bein amputiert werden musste.

Wie verlief der Übergang vom Militär zum Para-Sport?
Nach meiner Verletzung wurde in den Bürodienst versetzt. Statt im Training und an Einsätzen teilzunehmen, sass ich den ganzen Tag am Schreibtisch. Ich brauchte ein Ventil. Also begann ich wieder zu trainieren – erst im Fitnessstudio, dann im Einer-Skiff. Rudern half mir nicht nur körperlich, sondern auch mental.

Haben Sie im Rudersport vielleicht auch eine neue Möglichkeit gefunden, Ihrem Land zu dienen?
Definitiv. Ob im Militär oder im Sport – mein Ziel ist es, mein Bestes zu geben und Herausforderungen zu meistern. In diesem Sinne: Ja, ich will mein Land auch als Athlet vertreten und Ergebnisse liefern.

Nach dem Erfolg Luzern folgte Ihre Teilnahme an den Paralympics in Paris. Wie war diese Erfahrung?
Die Ergebnisse waren nicht ganz das, was wir uns erhofft hatten. Trotzdem nehme ich das Beste aus dieser Erfahrung mit und werde für das nächste Mal daraus lernen.

Das klingt, als wäre Los Angeles 2028 Ihr nächstes grosses Ziel.
Ja, langfristig ist Los Angeles 2028 das Ziel. Bis dahin gibt es aber noch viele Herausforderungen zu meistern. Ich konzentriere mich auf internationale Wettkämpfe und möchte neben dem gemischten Zweier auch verstärkt im Einer antreten.

Werden wir Sie auf dem Weg nach Los Angeles auch wieder in Luzern sehen?
Definitiv! Ich würde mich freuen, wieder in Luzern zu starten. Die Stadt ist wunderschön – und die Regatta am Rotsee ist extrem gut organisiert. Ein professionell durchgeführter Wettkampf hilft den Athleten, sich auf das Rennen zu fokussieren – das schätze ich sehr.

Von: Ismail Osman, Schriber Kommunikation