Es war einer dieser magischen Momente, wie sie wohl nur der Rudersport schreibt: In einem mitreisenden Rennen feierte Hin Chun im vergangenen Mai einen historischen Sieg an der LUCERNE REGATTA. Im Leichtgewichts-Einer setzte er sich gegen ein starkes Feld durch und gewann die Goldmedaille; es war der erste Weltcup-Sieg in der Geschichte des Hongkonger Rudersports überhaupt und ein bedeutender persönlicher Meilenstein für den 30-jährigen Hongkong-Chinesen.

Hin Chun, eine aussergewöhnliche Saison liegt hinter Ihnen: Weltcup-Medaille in Luzern, olympische Spiele und Wettkämpfe rund um den Globus. Wie fühlen Sie sich?

(lacht) Wenn Sie so fragen: Müde! Aber vor allem glücklich und dankbar für die vielen tollen Erlebnisse.

Lassen Sie uns nochmals auf den vergangenen Sommer zurückblicken: Können Sie uns beschreiben, wie Sie Ihren Wettkampftag an der LUCERNE REGATTA erlebt haben?

Das ganze Erlebnis war natürlich unglaublich und einfach fantastisch. Vor dem Wettkampf deute aber nichts darauf hin, dass mir etwas Historisches gelingen könnte.

Wie meinen Sie das?

In den neun Jahren, in denen ich professionell rudere, habe ich noch nichts Vergleichbares erreicht. Ich verbesserte mich zwar stetig, aber kam bis anhin kaum in die Nähe von Medaillenplätzen. Deshalb ging ich zwar ambitioniert in den Wettkampf, aber ohne die Erwartung, vorne mitmischen zu können.

War diese Unbeschwertheit vielleicht sogar entscheidend für Ihr Rennen?

Ja, genau so war es. Ich hatte nichts zu verlieren und ruderte einfach frei drauflos.

Wurde Ihnen während des Rennens bewusst, dass Sie gewinnen könnten?

Nicht sofort. Meine Strategie war es, im ersten Viertel mutig zu sein und aufs Ganze zu gehen. Als ich nach einem Viertel der Strecke vorne lag, spürte ich, dass eine Medaille drin liegen könnte. Im Schlussviertel wurde mir auf einmal klar: Heute ist der Tag!

Wie war der Moment, als sie als Erster die Ziellinie überquerten?

Es ist eigentlich nicht mit Worten beschreibbar, das war einfach unglaublich schön! Für diesen einen Moment fühlte ich mich, als würde mir die ganze Welt gehören. Dass ich diesen Meilenstein für Hongkong und insbesondere für den Rudersport dort erreichen konnte, ist fantastisch.

Die Strecke in Luzern gehört zu ihren Lieblingsstrecken. Weshalb eigentlich?

Der Rotsee gehört zu den fairsten Austragungsorten. Damit meine ich, dass die Lage des Sees den Wind als Faktor praktisch eliminiert. Und auch der See selbst: Für Nichtruderer mag das vielleicht etwas komisch klingen, das Wasser hier fühlt sich speziell an – jedenfalls perfekt fürs Rudern.

Luzern ist in Ihrer Karriere sowieso von besonderer Bedeutung.

Das stimmt. In Luzern absolvierte ich 2015 mein erstes Weltcup-Rennen. Ich performte ziemlich schlecht und war danach sehr emotional. Zugleich erkannte ich in diesem Moment, wie viel es braucht, um zur Spitze zu gehören und zu gewinnen. Diese Erfahrung prägte und motiviert mich bis heute.

Nun sind Sie Rotsee-Sieger und haben im Sommer Ihre zweiten Olympischen Spiele bestritten. Wie war diese Erfahrung?

Die Atmosphäre an Olympischen Spielen ist mit nichts anderem vergleichbar. Im Gegensatz zu den Spielen in Rio 2016 fühlte ich mich diesmal nicht nur als Teilnehmer, sondern als echter Mitstreiter. Die gewonnene Erfahrung und der Sieg in Luzern haben zu diesem neuen Selbstbewusstsein beigetragen. Wunderschön war auch, dass ich dieses Erlebnis mit meiner Familie teilen konnte – erstmals überhaupt konnten sie mich in Europa begleiten.

In Paris mussten sie im Offenen-Einer antreten, da der Leichtgewichts-Einer nicht olympisch ist und ab 2028 auch die letzte Leichtgewichts-Bootsklasse aus dem Olympischen Programm gestrichen wird. Bedauern Sie das?

Jeder Sport muss sich kontinuierlich weiterentwickeln, wenn er zeitgemäss bleiben will. Bleibt man stehen, verbessert sich auch die Qualität des Sports nicht. Insofern trauere ich dem nicht nach und bin offen für die Beach Sprints, die das Leichtgewichts-Rudern ersetzen sollen.

Gehen wir zu Ihren Wurzeln zurück. Sie haben ihre Athletenkarriere als Windsurfer begonnen. Wie hat diese Erfahrung Ihre Ruderkarriere geprägt?

Ich begann mit neun Jahren mit dem Windsurfen. Ich denke, dass ich dadurch ein gutes Gespür für das Wasser entwickeln konnte, das mir heute auch beim Rudern hilft. Andererseits lernte ich schon als Windsurfer, was es heisst, ein Athlet zu sein – also zum Beispiel Freizeit zu opfern, strenge Trainingsregimes zu akzeptieren und einen gesunden Lebensstil zu pflegen.

Letzte Frage: Luzern bewirbt sich bekanntlich für die Ruder-WM 2027. Könnten Sie sich vorstellen, dort teilzunehmen – auch mit Blick auf die Olympischen Spiele von 2028 in Los Angeles?

Oh, Wow (lacht)! Diese beiden Ereignisse liegen noch viel zu weit in der Zukunft. Mein Fokus liegt aktuell bei den chinesischen nationalen Meisterschaften vom November sowie auf den Asia Games 2026. Eines kann ich aber sicher sagen: Luzern wird immer einen speziellen Platz in meinem Herzen haben – und ich werde immer gerne zurückkommen.

written by Ismail Osman