Für Robin: Jeannine Gmelin verwirklicht eine Vision

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von Regula Schweizer

Die Anfang Jahr zurückgetretene Schweizer Spitzenruderin Jeannine Gmelin hat bei der Lucerne Regatta eine neue Aufgabe: Sie begrüsst als Gastgeberin und Barista Gäste in der Coffee Lounge «rob’s hood». Es ist eine Hommage an ihren im Dezember 2022 plötzlich verstorbenen Trainer und Partner Robin Dowell.

Jeannine Gmelin, wie schmeckt für Sie ein perfekter Kaffee?

Jeannine Gmelin: Nicht sauer. Nicht bitter. Am liebsten mag ich süsslichen Kaffee mit einer Schokoladen-Note. Und immer mit Milch.

Es ist ungewohnt mit Ihnen über einen perfekten Kaffee zu sprechen statt über den perfekten Ruderschlag.

Das verstehe ich. Aber wissen Sie, einen feinen Kaffee trinken zu gehen, war für mich schon als Spitzenruderin immer etwas Wichtiges. Eine Pause im Alltag oder eine kurze Erholungspause in einer langen Weltmeisterschaftswoche.

Ihr langjähriger Trainer und Partner Robin Dowell ist Ende letzten Jahres überraschend verstorben. Die Passion für den Kaffee haben Sie geteilt.

Robin liebte Kaffee. Für ihn kam die Passion für Kaffee direkt nach jener für den Rudersport. Bei mir ist es vielleicht nicht so stark ausgeprägt. Im Lockdown als wir plötzlich nicht mehr auswärts einen Kaffee geniessen konnte, kaufte er sich kurzerhand eine Profimaschine. Damit wir nicht verzichten mussten.

So kamen Sie auf die Idee ihn mit einer Coffee Lounge an der Lucerne Regatta zu Ehren.

Nicht ganz. Eine Coffee Lounge an der Lucerne Regatta ist nicht meine Idee, es ist seine. 2022 hatten wir während der Regatta zufällig die Rösterei 400mg entdeckt. Heute ist 400mg in Hitzkirch zu Hause, aber damals war die Rösterei direkt am Rotsee. Wir waren vom Kaffee begeistert und Robin kam ins Gespräch mit dem Besitzer. Eine spontane Umsetzung für 2022 gelang nicht. Aber letzten Herbst hat Robin dann alle Abklärungen mit der Rösterei und dem Direktor der Lucerne Regatta, Timon Wernas, begonnen. Dieses Jahr sollten Coaches, Athletinnen oder Besucher am Rotsee einen feinen Kaffee geniessen können.

Diese Vision wird nun Wirklichkeit.

Im Frühjahr habe ich gemerkt, dass dies eine Möglichkeit ist, ihn zu ehren. Daher habe ich alle Kontakte wieder aufgenommen und geschaut, ob ich es umsetzen könnte. Die Reaktionen waren sehr schön und es hat mir auch einmal mehr gezeigt wie Robin Menschen erreichen und begeistern konnte, egal ob Rösterei-Besitzer, Grafikerin oder Regatta-Direktor.

Als absolute Ausnahmekönnerin standen Sie viele Jahre am Start der Lucerne Regatta. Dieses Jahr führen Sie eine Coffee Lounge. Wie haben Sie sich vorbereitet?

Einen guten Kaffee gibt es nicht per Knopfdruck. Ein guter Kaffee ist ein Handwerk. Ich habe einen Barista-Kurs sowie einen Latte Art Kurs besucht. Meine Schwester hat mich begleitet und wird mich auch an der Regatta unterstützen – wie übrigens auch Robin’s Schwester Megan. Nach diesen Kursen beeindruckt es mich umso mehr, wie Robin sich nebenbei die Kaffeezubereitung selbst beigebracht hat. Er hat nie damit geprahlt und ist auch nie verzweifelt, wenn er etwas nicht auf Anhieb hingekriegt hat. Das beschreibt ihn gut. Er hat immer eine Lösung gesucht. Und hatte manchmal auch einfach einen «sture Grind» (lacht).

Haben Sie Respekt nach ihrem Rücktritt in anderer Funktion an den Rotsee zurückzukehren?

Nein, Respekt habe ich nicht. Aber es wird hart. Es wird hart, weil es mir unmittelbar vor Augen führt, was ich nicht mehr habe. Ich bin nicht zurückgetreten, weil ich den Alltag als Athletin nicht mehr leben oder keine Rennen mehr fahren wollte. Dass ich dieses Jahr am Rotsee nicht auf dem Wasser bin, sondern eine Coffee Lounge führe, gründet darin, dass Robin nicht mehr ist. Dieses Projekt «rob’s hood» zu haben, gibt mir viel Sinn. Ich mache es für mich, aber in erster Linie für Robin.

«rob’s hood» ist direkt am Bootslagerplatz etwas abgeschirmt vom Renngeschehen. Wird man Ihnen bei den Frauen-Einer-Rennen auch am See begegnen?

Das denke ich schon, ja. Die Athletinnen waren zwar meine Konkurrentinnen, aber wir waren auch fast zehn Jahre gemeinsam unterwegs und haben dabei viel erlebt. Eine besondere Erinnerung sind sicher die Rennen im Great Eight. Der Great Eight wird jeweils nach der internationalen Saison aus den besten Athletinnen der Welt zusammengesetzt. In all den Jahren sind so zwischen uns Konkurrentinnen Freundschaften entstanden, die grösser sind als irgendwelche Rennen.

Langjährige Konkurrentinnen und Bekannte aus der Ruderfamilie können bei Ihnen also auf einen schnellen Espresso oder gemütlichen Flat White vorbeikommen. Auf wen freuen Sie sich am meisten?

Robin hatte in der internationalen Ruderwelt viele Vorbilder, Freunde und auch «Konkurrenten», denen er stets mit Respekt für ihre Arbeit begegnete. Ich freue mich darauf, hoffentlich viele von ihnen auf einen Kaffee begrüssen zu dürfen. Am liebsten verbunden mit einer guten Story, die sie mit Robin erlebt haben und im Gästebuch, das dort aufliegt, verewigen.